Ein Jedermann
1996
Inhalt
Jedermann ist Generaldirektor eines Stahlkonzerns. Während sein Reichtum im Original einfach gegeben ist, lässt Mitterer seine Hauptfigur dafür auch etwas tun: „Der alte Jedermann ist eher ein Playboy, und den gibt’s ja nimmer. Es gibt, glaube ich, nur mehr den Gunther Sachs, wenn’s den noch gibt. Die meisten Leute in dieser Gesellschaft sind hart arbeitende Menschen.“ Und während Jedermann bei Hofmannsthal unverheiratet ist, steht bei Mitterer auch eine Frau Jedermann im Personenverzeichnis: „So ein Mensch ist verheiratet, im Normalfall.“ So ein Mensch hat selbstverständlich auch eine Geliebte. Mitterers Buhlschaft ist die Sekretärin des Chefs, und sie hat den Zweitfrau-Status satt. Der Teufel tritt in Person eines „Trouble Shooters“ auf. Der smarte Yuppie ist ein noch skrupelloserer Geschäftemacher als Jedermann, seine wahrlich satanischen Transaktionen retten das Unternehmen vor dem Ruin.
Der Gute Gesell, bei Hofmannsthal die personifizierte Freundschaft, ist niemand Geringerer als der Herr Bundeskanzler. Jedermann ist mit ihm per du. Auch die Hofmannsthalschen Allegorien sind in Mitterers Stück handfeste Figuren. Mammon ist natürlich ein Bankdirektor, und was im alten „Jedermann“ die „guten Werke“ verkörpern, ist im neuen Stück ein Gewerkschaftspräsident. Nur den „Glauben“ hat Mitterer ersatzlos gestrichen- „weil eh niemand mehr was glaubt.“ Dass er nicht nur Gott Vater, sondern auch Gott Sohn und Gott Heiliger Geist auftreten lässt, hat dem Autor schon eine Klage eingetragen: der Whisky trinkende und selbst gedrehte Zigaretten rauchende Jesus, der sich mit dem Heiligen Geist ständig in den Haaren liegt, war in den Augen eines bibelfesten Zeitgenossen Blasphemie. Weil er einen billigen Skandal wie vor Turinis „Tod und Teufel“ vermeiden will, hat Mitterer darauf hin einige inkriminierte Sätze gestrichen: „Darum geht’s nicht. Ich möchte nicht, dass man sich jetzt auf drei Sätze konzentriert, und deswegen gehen dann die Leute rein.“
Jedermann handelt mit Waffen, der Gewerkschaftspräsident wirkt wie ein Klon aus Rechberger und Ruhaltinger – dennoch will Mitterer „das Stück nicht auf österreichische Innenpolitik beschränkt wissen. Es spielt zwar hinein, was in den letzten Jahren bei uns passiert ist, aber das Stück kann genau so gut in Frankfurt spielen oder in Tokio oder in New York, glaube ich.“
Sterben muss jedermann. International. Bevor Mitterers Jedermann den Managertod (Herzinfarkt) stirbt, findet er zwar nicht zu Gott, aber immerhin zu einer Art Einsicht: „Es kommt etwas auf, was diese Menschen überhaupt net brauchen können, und das ist, Gewissen zu haben“, beschreibt’s Helmut Lohner: „Er hat Bilder, mit denen er konfrontiert ist, je näher es geht. Und diese Visionen bringen ihn dazu, dass er zumindest mit schlechtestem Gewissen abkratzt.“
Was den Schluss betrifft, gibt Mitterer zu, gescheitert zu sein: „Ich habe mich nicht an das gehalten, was ich mir vorgenommen hab. Ich habe mir nämlich gesagt, den mach ich fertig, bei mir kommt er nicht davon. Das hat mich nämlich beim alten Jedermann sehr geärgert. Ein bissl bereuen, beichten, und schon geht das Kamel durch das Nadelöhr. Das ist mir furchtbar auf die Nerven gegangen. Nur, die Geschichte entwickelt sich dann und schreibt sich mit der Zeit selber, und zum Schluss ist er auch bei mir nicht verdammt. Einfach, weil ich selber als Felix Mitterer niemanden für alle Ewigkeit verdammen möchte. Ich wollte einmal ein Stück schreiben, wo jemand was lernt. In den meisten Arbeiten von mir lernen die Leute ja leider nix.“
(Von Wolfgang Kralicek; Wiener,Jänner1991)
Fotos & Videos
Mitwirkende
Leitung
JOSEF STAMMLER – Regie, Inszenierung, Produktionsleitung
Darsteller
FRANZ REINER – Gott Vater
JOHANN WAGNER – Gott Sohn
ELKE PRESSL – Gott Heiliger Geist
BERNHARD PFUSTERER – Teufel (traditionell und als Trouble-Shooter), Bühnenbau
MARKO BREBER – Tod (traditionell und als Bürodiener), Bühnenbau
ANDREAS KRAUTSCHNEIDER – Jedermann (Generaldirektor)
LOTTE BACHMANN – Jedermanns Mutter
HANNELORE GRUBER – Jedermanns Frau
HERBERT SEIRINGER – Jedermanns Guter Gesell (Bundeskanzler)
HERBERT SEIRINGER – Armer Nachbar (Unternehmer), Bühnenbau
ANDREAS DISTLER – Schuldknecht (Unternehmer), Bühnenbau
MICHAELA PFUSTERER – Buhlschaft (Jedermanns Sekretärin)
LEOPOLD STAMMLER – Dicker Vetter (Kardinal), Bühnenbau
ROBERT BREBER – Dünner Vetter (Primarus), Bühnenbau
JOSEF KIENER – Mammon (Bankier), Requisite
ALOIS HANGLER – Werke (Gewekschaftspräsident), Bühnenplanung, Bühnenbau
CHRISTINA KRAUTSCHNEIDER – Hungerndes Kind (asiatisch)
MARKUS GNEISS – Amputiertes Kind (südamerikanisch)
KERSTIN KRAUTSCHNEIDER – Hustendes Kind (europäisch)
Hinter den Kulissen
RENATE GRUBER – Souffleuse
PETRA KOHBERGER – Maske, Frisuren
BRUNO BACHMANN – Bühnenmalerei
MANFRED FUCHS – Licht- und Bühnentechnik, Bühnenbau
MARKUS HOFAUER – Licht- und Bühnentechnik, Bühnenbau
ERNST ORNETSMÜLLER – Licht- und Bühnentechnik, Bühnenbau
WOLFGANG REISINGER – Licht- und Bühnentechnik, Bühnenbau
FRANZ REITER – Licht- und Bühnentechnik
FRITZ BÜCHLER – Bühnenbau
THOMAS EBNER – Bühnenbau
NORBERT FESTNER – Bühnenbau
JOHANNES GRÜNBACHER – Bühnenbau
REINHARD GRÜNBACHER – Bühnenbau
NORBERT HABRING – Bühnenbau
RENATE HANGLER – Bühnenbau, Buffet
VERONIKA KRAUTSCHNEIDER – Bühnenbau
VERONIKA ORNETSMÜLLER – Bühnenbau
ANDREAS PFUSTERER – Bühnenbau
FRANZ REITER SEN. – Bühnenbau
KARL ERKNER – Buffet
CLAUDIA ERKNER – Buffet
KARIN KLEMENT – Buffet
ELISABETH SEIRINGER – Buffet
GABI SEIRINGER – Buffet