Die Blumenkinder von Timelkam
„Hair“ – ein Erlebnis der besonderen Art.
Innerhalb weniger Stunden nach Freigabe der Online-Reservierung war der Server abgestürzt. 3 000 Anfragen in so kurzer Zeit waren nicht zu bewältigen. Und zwei Wochen vor der Premiere waren bereits alle zwanzig Aufführungstermine ausverkauft. Dass die Timelkamer Produktionen mit großem technischen und personellen Aufwand bewältigen können, haben sie in der Vergangenheit mehrfach bewiesen. So auch diesmal.
Insgesamt an die 95 Beteiligte, davon mehr als 60 vorwiegend jugendliche Darsteller auf der Bühne ließen die Zeit der Hippies auferstehen. Vor der Fotokulisse des New Yorker Central Park wurde mit viel Verve getanzt und man konnte als Zuschauer (noch dazu als einer, der die Sixties noch selbst hautnah erlebt hat) schon das Jucken in den Beinen bekommen. „Hair“, das Musical, ist eine Hommage an eine Generation, die dem verstaubten Establishment mit ihrer Buntheit, den langen Haaren, einem guten Schuss Unverfrorenheit, dem Traum von Frieden, freier Liebe und Drogenrausch entgegentritt. So wirkte die Inszenierung wie eine Zeitreise in versunkene Gegenkultur.
Die dramaturgischen Schwächen des Textes bekam Regisseur Alois Hangler, der neben der Gesamtleitung auch noch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnete, gut in den Griff, indem er die Story einbettete in wirbelnde dynamische Tanzszenen (Choreografie: Gabriele Pölking).
Nach und nach stellte sich bei mir das Gefühl ein, hier gehe es um die Darstellung einer durch und durch optimistisch-naiven Jugend, die die Welt durch ihre rosa Brille sieht. Wäre es das geblieben, hätte das Musical letztendlich jenen zuckersüßen Geschmack hinterlassen, wie ich ihn in diesem Genre schon des Öfteren zu spüren bekommen habe.
Dann aber der Bruch: Ein US-Marine-Corps marschiert auf, intoniert den Sprechchor aus dem Beginn von Stanley Kubricks Film „Full Metal Jacket“. Graue unverputzte Ziegelwände schieben sich vor die Idylle des Central Park. Der (Vietnam-)Krieg lässt alle Flower Power verschwinden. Und man fragt sich als Zuschauer: Was bleibt jetzt noch von Peace and Love? Hat die Blumenkinder-Generation ihre Ideale verspielt?
Die Antwort darauf mag sich jeder selbst geben. Tatsache ist, dass in Hanglers kongenialer Inszenierung das Musical nicht in Düsternis und Pessimismus versinkt, sondern mit dem strahlenden das Publikum mit einbeziehenden Song endet: „Let the sunshine in!“ Solche Lieder braucht es gerade auch in (Kriegs-)Zeiten wie diesen!
Übrigens: Wer das Spektakel versäumt hat, sei auf 2017 vertröstet. Da wird „Hair“ im Jänner wieder aufgenommen.
Hier geht es zum Originalbericht des Amateurtheaters Oberösterreich.